Werterziehung. Beitrag zur theoretischen Grundlegung einer Praxis

  • Helmut Heid Institut für Pädagogik der Universität Regensburg
Schlagworte: Schule, Wertevermittlung, Jugendlicher, Wertewandel

Abstract

Es wird zu viel über Werte und zu wenig über die realen gesellschaftlichen Gründe dafür geredet, dass in allen Sektoren gesellschaftlicher Praxis nach Werten gerufen oder ein «Werteverfall» beklagt wird. Jedoch lassen sich gerade mit dem Rekurs auf Werte diejenigen Probleme nicht lösen, die den Werteappell ausgelöst haben. Dazu ist vielmehr die gründliche Kausal-Analyse der Probleme notwendig, deren Lösung Sachkompetenz und moralische Urteilsfähigkeit erfordert. Ich nenne ein einfaches Beispiel: Es hat nichts mit Werterziehung zu tun, junge Menschen zum Fleiss erziehen zu wollen, den es ohne seinen Inhalt gar nicht gibt. Wichtig ist demgegenüber die Erörterung der Gründe, die konkrete Menschen veranlassen können oder sollten, sich einer Sache, die es verdient, mit Fleiss zu widmen. Wer zur Entwicklung der moralischen Urteilskompetenz junger Menschen beitragen will, der muss ihnen helfen, diejenigen realen Probleme in ihrer Komplexität zu durchschauen und zu begreifen, für deren kompetente und verantwortliche Lösung moralische Prinzipien unverzichtbar sind. In der Wert­erziehung müssen junge Menschen nicht (primär) lernen, Normen oder moralische Regeln zu definieren und zu respektieren, sondern sie sollten erkennen, welche Funktion diese Normen und Regeln bei der verantwortliche Lösung realer gesellschaftlicher Probleme erfüllen. Dazu gehört auch, wie sich besonders an der Beanspruchung des Hochwertbegriffs der Gerechtigkeit oder am Leistungsprinzip verdeutlichen lässt, die kritische Analyse der Strategien, mit denen hoch angesehene Werte zur Rechtfertigung dessen verwendet werden, was sich «eigentlich» nicht rechtfertigen lässt.

Veröffentlicht
2010-12-01
Zitationsvorschlag
Heid, H. (2010). Werterziehung. Beitrag zur theoretischen Grundlegung einer Praxis. BzL - Beiträge Zur Lehrerinnen- Und Lehrerbildung, 28(3), 391–404. https://doi.org/10.36950/bzl.28.3.2010.9768
Rubrik
Beitrag in Themenheft