Erziehung oder Unterricht? Lehrerbildung in der Helvetik und die Rolle Pestalozzis
Abstract
Ob Schule unterrichten und erziehen, Wissen und Moral vermitteln soll, ist nicht nur heute eine aktuelle Frage, sondern ein zentrales Problem, das sich beispielhaft bereits in den Gründungsjahren der schweizerischen Volksschule in der Zeit der Helvetik (1798-1803) gestellt hat. Obgleich der Promotor der Helvetischen Schulreform, Philipp Albert Stapfer, dem Wissen bzw. der Wissensvermittlung innerhalb der neuen Volksschule der Helvetischen Republik - im Vergleich zu den Landschulen im Ancien Régime - einen wichtigen Platz einräumte, war für ihn die religiös-moralische Grundlage aller Bildung weiterhin unbestritten. Die beiden Eckpfeiler der Umsetzung seiner Reformpläne waren die professionalisierte Lehrerbildung und eine neue Didaktik. \nMit seinem Konzept von Moral und Wissen sowie dem Desiderat einer neuen Lehrerbildung und Didaktik suchte Stapfer die geeigneten Träger seiner Reform, wobei er auf grosse institutionelle, personelle und finanzielle Schwierigkeiten stiess. Erst Pestalozzi schien mit seinem Konzept der "Methode" sämtliche Probleme lösen zu können. Das wiederum brachte Pestalozzi Stapfers Protektion ein, unter welcher er zum wichtigsten Schulpraktiker und -theoretiker der Helvetik wurde. Dass aber die "Methode" gerade in bezug auf Lehrerbildung und Didaktik erhebliche theoretische und konzeptionelle Probleme enthielt, wurde von Stapfer kaum gesehen. Wohl deshalb, weil Pestalozzi stets - ganz den Grundintentionen Stapfers entsprechend - an der doppelten Aufgabe aller Bildung: Wissen und Moral, festgehalten hat.